Die Satanischen Verse by Rushdie Salman

Die Satanischen Verse by Rushdie Salman

Autor:Rushdie, Salman [Rushdie, Salman]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-23T16:00:00+00:00


Es war so und auch wieder nicht, dass der Zustand Saladin Chamchas, dessen Gefangenschaft im Körper eines Teufels und in der Dachkammer des Shaandaar Bed and Breakfast nun schon Wochen und Monate dauerte, sich unübersehbar verschlechterte. Seine Hörner (ungeachtet jener einmaligen, kurzlebigen und unbemerkten Verkürzung) waren sowohl dicker als auch länger geworden, drehten sich mittlerweile zu phantastischen Arabesken, wickelten sein Haupt in einen Turban aus nachdunkelndem Knochen. Ihm war ein dichter, langer Bart gewachsen, eine irritierende Entwicklung bei jemandem, dessen rundes Mondgesicht noch nie durch besondere Behaarung aufgefallen war; er war überhaupt am ganzen Körper haariger geworden, und dort, wo sein Rückgrat endete, war ein schöner Schwanz gewachsen, der mit jedem Tag länger wurde und ihn bereits dazu zwang, auf das Tragen von Hosen zu verzichten; er stopfte das neue Körperteil statt dessen in sackartige Salwarhosen, die Anahita Sufyan aus der großzügig geschneiderten Kollektion ihrer Mutter entwendet hatte. Wie sehr ihn diese fortwährende Metamorphose in eine Art Flaschenteufel bekümmerte, kann man sich leicht vorstellen. Sogar sein Appetit veränderte sich. Schon immer ein wählerischer Esser, stellte er mit Entsetzen fest, dass sein Geschmackssinn sich vergröberte, so dass alle Speisen irgendwie gleich zu schmecken begannen, und gelegentlich ertappte er sich dabei, wie er geistesabwesend an seinem Laken oder an alten Zeitungen herumknabberte, und erschrocken kam er dann zu sich, schuldbewusst und beschämt ob dieses neuerlichen Beweises seiner Entfernung vom Menschlichen hin zu - jawohl - zum Ziegenhaften. Immer größere Mengen Mundwasser waren vonnöten, um seinen Atem auf einem erträglichen Niveau zu stabilisieren. Es war wirklich nicht auszuhalten.

Seine Anwesenheit im Haus war ein ständiger Stachel im Fleisch der Hind, in der sich Bedauern über den entgangenen Profit mit den Überbleibseln ihres anfänglichen Schreckens vermengten, obwohl gesagt werden muss, dass der wohltuende Prozess der Gewöhnung sie bereits in seinen Bann gezogen hatte, ihr geholfen hatte, Saladins Zustand als eine Art Elefantenmensch-Krankheit zu betrachten, als etwas Abstoßendes, aber nicht unbedingt Beängstigendes. »Wenn er mir aus dem Weg geht, dann gehe ich ihm auch aus dem Weg«, sagte sie zu ihren Töchtern. »Und ihr, Kinder meiner Verzweiflung, warum verbringt ihr eure Zeit dort oben bei einem Kranken, während eure Jugend vorüberfliegt, wer weiß es schon, aber in diesem Vilayet scheint alles, was ich einmal wusste, eine Lüge zu sein, zum Beispiel die Vorstellung, dass junge Mädchen ihren Müttern helfen, ans Heiraten denken, fleißig lernen und nicht bei Ziegen herumsitzen sollen, denen wir am Großen Id die Kehle durchschneiden, wie es unser Brauch ist.«

Ihr Mann blieb indes besorgt, selbst nach dem merkwürdigen Vorfall, der sich ereignete, als er zur Dachkammer hinaufstieg und Saladin zu bedenken gab, dass sich die Mädchen womöglich doch nicht geirrt hätten, dass äh, wie sollte er es ausdrücken, die Besessenheit seines Körpers vielleicht durch Fürsprache eines Mullahs geheilt werden könne. Kaum war die Rede auf einen Geistlichen gekommen, baute Chamcha sich auf seinen Füßen auf, hob beide Arme hoch über den Kopf, und irgendwie füllte sich der Raum mit dichtem, schwefligen Rauch, während ein hohes, vibrierendes, durchdringendes Gekreisch wie ein Stachel an Sufyans Trommelfell kratzte.



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